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Kurzbericht über die Anhörung zur Umsetzung der Info-Richtlinie vom 22. April 2002

Bereits im Rahmen der Begrüßung durch Herr Ministerialdirektor Dr. Hucko wies dieser darauf hin, daß das BMJ grundsätzlich an dem gesteckten Zeitplan festhalten wolle. Dies bedeute einen engen Zeitrahmen, da die Umsetzung bis Ende des Jahres erfolgen müsse, ab Juli jedoch kein "arbeitendes Parlament" mehr gegeben sei. Aus diesem Grund sei auch dem Modell der Minimalumsetzung der Vorzug eingeräumt worden.

Frau Dr. Pakuscher erklärte, das BMJ sehe noch Änderungs- bzw. Diskussionsbedarf in den Bereichen Reprographie, Katalogbildfreiheit, § 52, Software als technische Schutzmaßnahme im Verhältnis zu § 69a UrhG (Softwarerichtlinie als lex specialis?)

Herr Dr. Kröber (für GEMA und ZPÜ) begrüßte, daß die Regierung sich des Themas noch vor dem Ende der Legislaturperiode annimmt. Ebenso begrüßte er die Klarstellung, daß die digitale Vervielfältigung unter § 53 n.F. fällt. Kritisiert wurde hingegen das Festhalten am Merkmal der Gleichzeitigkeit für das Recht der öffentlichen Wiedergabe.

Frau Michel von der ARD äußerte die Ansicht, es sollte überdacht werden, ob eine solch "komplexe Materie" in der kurzen Zeit unmgesetzt werden kann. Auch sei der Schutz ausübender Künstler weitergehend als nach der Richtlinie gefordert. Von großer Bedeutung sei auch die Regelung der Nutzung der vorhandenen Archive für die "Neuen Medien". Weiter sei nach der erfolgten Reform des Urhebervertragsrechts der § 31 Abs. 4 in der jetzigen Form nicht mehr notwendig. Schließlich forderte sie den Gesetzgeber auf, die elektronischen Pressespiegel mitzuregeln.

Dr. Waldenberger warf die Frage auf, warum im Entwurf zweimal (§§ 19a und 22) vom Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gesprochen werde. Dies sei verwirrend, da § 19a in die Nähe von öffentliche Sendung und Rundfunk gerückt werde.

Prof. Schwarz (für film 20 und SPIO) rügte, daß die §§ 73 ff. und die Änderungen im Filmrecht nicht zu Wort gekommen seien. Er stellte die Frage ob wirklich die §§ 34 ff. in § 94 (auch?) für ausübenden Künstler für anwendbar erklärt werden sollten. Die Folge sei ein Rückrufsrecht und Durchgriffsanspruch auch für den ausübenden Künstler. Im Anschluß an Frau Michel bezeichnete er § 31 IV UrhG als ein "Überbleibsel" aus dem vorherigen Gesetzgebungsverfahren, das hier mitbehandelt werden sollte.

Dr. Sprang vom Börsenverein äußerte Kritik am "Schweinsgalopp" bei der Umsetzung. Auch seiner Ansicht nach sei der bisherige § 31 IV UrhG nicht mehr konform mit dem neuen Urhebervertragsrecht und der Info-Richtlinie. Besorgt stellte er fest, daß die Schranke als "Schwert" und nicht mehr nur als Schild ausgestaltet werden solle (§§ 95b und 111a [Ordnungswidrigkeit]). Schließlich stehe der Schutz der Urheber im Vordergrund und nicht maßlose Rechte für die Schrankenbegünstigten.

Dr. Haupt kritisierte im Hinblick auf Pressespiegel § 49 des Entwurfs und regte seine Abschaffung an (statt auf die Entscheidung des BGH in dieser Sache zu warten).

In diesem Zusammenhang betonte Dr. Hucko nachmals, daß nicht fristgebundene Bereiche "aufgeschoben, aber nicht aufgehoben" seien. § 31 IV stehe dann auch zur Diskussion.

Herr Grevenich begrüßte für den VPRT ebenfalls die Umsetzung der entscheidenden Vorgaben. Seiner Ansicht nach sei es jedoch geboten, die Sendeunternehmen an der Pauschalvergütung nach § 54 zu beteiligen, daher müsse § 87 Abs. 4 des Entwurfs geändert werden. Dies ergebe sich u.a. daraus, daß im Zusammenhang mit der Urhebervertragrechtsreform § 63a eingeführt wurde, der es den Sendeunternehmen unmöglich mache, sich u.a. die Ansprüche aus § 54 im voraus abtreten zu lassen. Er wies ferner darauf hin, daß das Verbot der Abtretung im voraus nicht mehr erforderlich sei. In § 19a des Entwurfs ergebe sich das Problem der Abgrenzung zum Senderecht (z.B. Internetradio). Er bat insofern um eine Klarstellungin § 20 ("sofern nicht von § 19a erfasst").

Dr. Gerlach (Künstlervereinigung) erinnerte daran, daß auch die Voraussetzung für die Ratifizierung der WIPO-Verrtäge, insbesondere des WPPT, geschaffen werden sollen. Er forderte die "Beseitigung einer 'Nachlässigkeit'": Nach der vorgesehenen Formulierung befände sich die Regelung über die Vergütungsansprüche der ausübenden Künstler nicht mehr "vor der Klammer". Damit seien die Vergütungsansprüche (nur) der ausübenden Künstler verzichtbar und abtretbar.

Frau Bremer von BITKOM hob das offensichtliche Zeitproblem hervor. Deutschland sei ohnehin eines der wenigen Länder, die zum aktuellen Zeitpunkt überhaupt einen Entwurf vorgelegt haben. Trotzdem sei es angesichts der Bedeutung des Gesetzesvorhabens für die Informationsgesellschaft wichtig, einen Entwurf aus einem Guß machen.

Dr. Waldenberger (VDZ) merkte an, man sei einem "Fast Track"-Verfahren ausgesetzt. Die Schrankenregelungen seien nicht ausgereift. Auch solle der Drei-Stufen-Test im deutschen Urheberrecht ausdrücklich verankert werden. Die Schranke für öffentliche Reden (§ 48 d. Entw.) führe zu einer nicht akzeptablen Gleichstellung der Zeitschriften mit Flugblättern. Die in § 50 des Entwurfes vorgesehene Formulierung führe zu einem "seltsamen in die Nähe rücken" der Online-Medien zum Rundfunk. Wichtigster Punkt sei allerdings die geplante Regelung des § 53 Abs. 2. Das von der Urheberrechtsrichtlinie nicht geforderte Archivierungsrecht werde vom VDZ abgelehnt, die Regelung müsse auf jeden Fall zurückgestellt werden und sei allenfalls in modifizierter From dankbar.

Dr. Castendyk (EPI) äußerte sich positiv zum Gesetzgebungsvorhaben. Die "Abschichtung" sei richtig, der Entwurf gelungen. Kleinere Änderungen, insbesondere im Bereich des Films, seien allerdings notwendig. (Die Probleme der Filmschaffenden wurden am Ende der Sitzung getrennt erörtert.)

Frau Harmann von der "Stiftung preußischer Kulturbesitz" forderte, füd die Archive die Katalogbildfreiheit beizubehalten.

Herr Bodo Schwartz (ZVDI) stimmt Dr. Castendyk grundsätzlich zu, hielt aber größere Änderungen am Entwurf für erforderlich. Er habe ein "herbes Problem mit § 53" aufgrund der Gleichstellung von analoger und digitaler Kopie. Er bat, den Begriff der "privaten Kopie" noch einmal zu diskutiere.

Frau Piper (ZDF) begrüßte insbesondere § 31 Abs 4 und die geplante Regelung für die Archivnutzung der Rundfunkanstalten.

Herr Meuschel (Regieverband) erläuterte, das § 80 (Gemeinsame Darbietung mehrerer ausübender Künstler) in der Praxis völlig unpraktikabel sei. Sein petitum lautete, den "neuen" § 80 für kleine Gruppen anzuwenden, den "alten" § 80 an diesen anzuhängen für für Klangkörper u.ä.

Professor Melichar (VG Wort) erklärte, es sei verfassungsrechtlich bedenklich, wenn nach der Entwurfsfassung des § 52 die Intranet-Nutzungen von Werken für Behörden nicht nur zustimmungs- sondern auch vergütungssfreiseien.

Dr. Sprang forderte die Streichung der Formulierung "Herstellen lassen von Dritten" in den Schrankenregelungen, da dies heute ohnehin jeder selbst mache. Bei der Privatkopie solle eine Digitalisierung grundsätzlich ausgeschlossen sein (Eine Kopie von Papier auf Papier sei zulässig, aber die Überführung in eine digitale Form solle dies nicht sein.

Frau Weger (Bundesverband der deutschen Bibliotheken) erinnerte daran, daß es nicht um die Verfügbarkeit kostenfreier Information neben dem Zeitschriftenmarkt gehe, sonder daß die Wissenschaft auf den Zugang zu Informationen angewiesen sei. Archive müßten in diesen Kreisen nutzbar sein, ohne auf komplizierte Verträge angewiesen zu sein.

Herr Zombick (Dt. Landesgruppe der IFPI) kritisierte die "Kaskade der Eingriffsmöglichkeiten". Eine Mediation unter Fachleuten führe zu angemessenen Ergebnissen.

Dr. von Ungern-Sternberg stellte die Frage, wer für das Zurverfügungstellen der Zugänge (i.S.d. § 95b) zahle. Mit dem in Abs. 3 vorgesehenen Verbandsklagerecht habe man im Wettbewerbsrecht bekanntlich schlechte Erfahrungen gemacht.

Dr. Haupt forderte, in Antwort auf Dr. Sprang, die digitalen Informationswege nicht abzuschneiden. Zu § 44 solle in der Begründung klargestellt werden, daß elektronische Kommunikationsmöglichkeiten erhalten bleiben.

Herr Grevenig (VPRT) kritisierte die Wertung des Gesetzgebers insgesamt. § 95a solle nicht auf die Fälle "zu gewerblichen Zwecken" beschränkt werden. Auch müsse der Wortlaut auch "die sonstige Bereitstellung" abdecken. In § 95b müsse der Vorrang freiwilliger Maßnahmen gewahrt bleiben. In § 108b sei das Kriterium der persönlichen Verbundenheit unzureichend. FileSharing-Systeme sollten vom Kriterium der persönlichen Verbundenheit grundsätzlich ausgeschlossen sein.

Professor Mathias Schwarz merkte zu § 53 an, daß digitale Kopien grundsätzlich nicht zu verhindern seien. Der Entwurf lasse aber eine klare Grenzziehung vermissen. Insbesondere dürfe es keine Kopie von illegalen Ausgangsstücken (Erfordernis der legalen Quelle) geben. Auch sei es erforderlich, über die Formulierung des § 15 Abs. 3 das Filesharing von digitalen Privatkopien einzugrenzen.

Die Diskussion zeige, so Frau Michel, daß sehr vieles noch strittig ist. Sie begrüßte den Ansatz von § 53, die Privatkopie im digitalen Zeitalter grundsätzlich zu erhalten. Ebenso die Regelung des § 95b, die einen Leerlauf des Rechts der Privatkopie verhindere. Der Ausschluß der Rundfunkanstalten von § 87 sei nicht mehr gerechtfertigt.

Dr. Pfenning (VG BildKunst) merkte an, Sammlungen könnten auch "ins Netz" gestellt werden. Widerspreche § 58.

Frau Kirstmann (KirchMedia) vertrat die Ansicht, die Argumente für den Ausschluß in § 87 Abs. 3 würden nicht mehr tragen. Bezüglich § 95a sei zu beachten, daß bisher nach dem Wortlaut die vollständigen Clones eines Originals, einschließlich des unangetasteten Kopierschutzes, nicht erfaßt sind.

Herr Trautmann (Fachverband Unterhaltungselektronik im ZVI) verwies auf den Widerspruch zwischen Vergütungszahlungen an die Urheberverwerter und der einseitigen Möglichkeit Dritter, die digitale Kopie de facto zu verhindern.

Dr. Martin Vogel (Internationale Gesellschaft für Urheberrecht) betonte, daß die Regelung des § 87 Abs. 3 durchaus ihre Berechtigung habe, da es sonst zu einer erheblichen Schieflage in der Verteilung der Vergütungszahlungen käme. Die Nutzung der Rundfunkarchive aus der Zeit, für die die Onlinenutzung eine unbekannte Nutzungsart darstellt, müsse ermöglicht werden, da diese Archive sonst gänzlich ungenutzt blieben.

Herr Reutschek (BSA) forderte ebenfalls die Einführung des Drei-Stufen-Test in den Gesetzestextes. § 13 Abs. 4 UrhWahrnG gehöre eigentlich in den § 54d UrhG. Den § 95b sehe er kritisch, da die Durchsetzung von technischen Schutzmaßnahmen negativ beeinflußt werden kann. Auch solle ein Mediationsverfahren vorgeschaltet werden.

Dr. Castendyk antwortete auf Dr. Vogel, die weit überwiegenden Mehrzahl der Sendungen (mit Ausnahme der Wasserstandsmeldungen;) sei nicht nur durch das Signalrecht geschützt, sondern auch als Lichtbildwerk.

Nach Dr. Vogel wären von einer Änderung des § 87 Abs. 3 bspw. alle Liveübertragungen wären betroffen.

Im Anschlu an den allgemeinen Teil wurden noch die speziellen Themen "Film" und "Archive" besprochen. Zu dem Problemkreis der Archive wird auf Initiative von Dr. Vogel und auf Einladung von Dr. Castendyk ein eigenes Kolloquium am EPI am 3. Mai 2002 stattfinden.

Zu den speziellen Problemen im Bereich des Films wies Dr. Hucko einleitend auf ein Problem des Verbots der Kopie von illegallen Quellen hin: es komme zu einem Systembruch, wenn die illegale Kopie zu vergüten sei.

Herr Braun (Bundesverband der phonographischen Wirtschaft) sähe am liebsten keine digitale Privatkopie.

Herr Klingsporn (Mitgesellschafter VGF) trat für eine abgestufte Privatkopie ein und unterstützte den Vorschlag von SPIO und film20.

Prof. Mathias Schwarz vertrat die Ansicht, daß der Lösung einer Zahlung für illegale Kopie nicht zu folgen sei. Eine "Legalisierung" der illegalen Kopie durch Vergütungszahlung könne es ebensowenig geben, wie durch Zahlung von Schadensersatz nach hypothetischer Lizenzzahlung.

Frau Tornowmerkte an, es geht nicht nur darum, daß "irgendein Geld" fließt, sondern auch um die Souveränität des Produzenten.

Dr. Castendyk nahm Stellung zu §§ 95a und 53. Der Verbraucher wisse nicht im einzelnen, "was er da kopiert". Die strengen Folgen sollten für den Endverbraucher nur bei "kennen oder kennenmüssen" eintreten. Hinsichtlich der Filmvorschriften gebe es Probleme bei der Einräumung von Nutzungsrechten des ausübenden Künstlers wegen § 90.

  • Der Schauspieler erhalten mehr Rechte als der Filmproduzent; dies könne nicht sein
  • Ausnahmevorschriften hätten auch für ausüb. Künstler und Produzenten Geltung

Daher solle überlegt werden, die §§ 34, 41, 42 wieder aus der Verweisung herauszunehmen. Die Anwendung von § 41 auf Sendeunternehmen mache schlicht keinen Sinn.

Dr. Poll (als Vertreter von Bodo Schwartz) vertrat die Ansicht, ein technischer Schutz sei nicht sicher. Der rechtliche Schutz werde durch § 53 weggenommen.

Prof. Mathias Schwarz stellt die Frage, ob die (fehlende) Verweisung in § 90 auf §§ 34, 35 nur übersehen oder wirklich gestrichen wurde und ob die resultierende Durchgriffshaftung aus § 34 Abs 5 wirklich beabsichtigt sei.

Dr. Martin Vogel moderierte im Anschluß die Diskussion über die (Rundfunk-)Archive.

Eine Nachlizenzierung für die Zeit, als die Onlineverbreitung noch eine unbekannte Nutzungsart war, sei wegen des finanziellen wie personellen Aufwands nicht machbar. Das in den Archiven befindliche Kulturgut sei über eine entsprechende Schranke zu heben.

Es wurde ein Formulierungsvorschlag für § 19a Abs. 2 diskutiert, wonach Sendeunternehmen, die das unbefristete Recht, ein Werk zu senden, zu einer Zeit erworben haben, als das Recht der Zugänglichmachung noch eine unbekannte Nutzungsart darstellte, auf dieses Werk in ihren Archiven für die Online-Nutzung zugreifen dürfen. Ein entsprechender Vergütungsanspruch hierfür soll ausschließlich durch die Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden.

Als Problem wurde diskutiert, daß unbefristete Rechte häufig nicht bei Sendeunternehmen, sondern bei Zwischenhändlern lägen.

Prof. Mathias Schwarz erläuterte das Problem anhand von "Unitel", das über das größtes Opernarchiv Europas verfüge, aber keine Sendeunternehmen sei. Daher sollte die zukünftige Schrankenregelung "Sendeunternehmen oder ein[em] sonstige[n] Vertragspartner des Urhebers" zugute kommen.

Dr. Vogel war der Ansicht, dies könne zu Problemen bei den Hörbuchverlagen und den Tonträgerproduzenten führen.

Die weitere Diskussion wurde auf den 3. Mai 2002, Kolloquium am EPI vertagt.