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Anlage 2
Stellungnahme des Bundesrates

I. Vorbemerkung zu dem Gesetzentwurf

Für eine auch vom Bundesrat unterstützte Novellierung des Urheberrechts sind noch mit erheblichem Zeitbedarf verbundene Prüfungen und Klärungen z. B. für die in Aussicht genommene Leerkassettenabgabe erforderlich. Deshalb bittet der Bundesrat die Bundesregierung, vorweg im Bereich der Erfassung von Importen vergütungspflichtiger Produkte eine gesetzliche Regelung zu schaffen und bei der Einführung fester Vergütungssätze für Bild- und Tonaufzeichnungen sowie dort, wo es durch verfassungsgerichtliche Entscheidungen zwingend geboten ist, umgehend eine Neufassung des Urheberrechts zu erarbeiten und dazu das Gesetzgebungsverfahren einzuleiten.

II. Im einzelnen nimmt der Bundesrat wie folgt Stellung:

1. Zum Gesetzentwurf insgesamt

Der Bundesrat hat Verständnis für den Wunsch der Urheber, an einer infolge der technischen Entwicklung vermehrten Nutzung ihrer Werke angemessen beteiligt zu werden. Der Bundesrat würdigt den Stellenwert der schöpferischen Leistung der Urheber für alle Bereiche unseres Lebens und hebt die Bedeutung ihres in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden vorbildlichen Schutzes hervor.

Nach Auffassung des Bundesrates ist jedoch in Anbetracht spürbar verschlechterter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und bei dem hohen Kostenniveau in der Bundesrepublik Deutschland allen weiteren Kostenbelastungen mit Sorge zu begegnen, die geeignet sind, bereits bestehende ernste wirtschaftliche Probleme zu verschärfen. Bei der Frage der Erschließung neuer urheberrechtlicher Vergütungsaufkommen ist zu berücksichtigen, daß heute in allen Bereichen finanzielle Einschränkungen hingenommen werden müssen.

Die Bundesregierung wird gebeten, den Gesetzentwurf mehr in Einklang zu bringen mit

- dem Bemühen um Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft durch Eingrenzung der Kostenbelastung der deutschen Industrie,

- dem dringenden Gebot zur Eindämmung der öffentlichen Ausgaben und

- dem Wunsch nach Verminderung der die Bürger und die Wirtschaft treffenden bürokratischen Belastungen bei dem Gesetzentwurf insgesamt.

Zusammenfassend betrachtet haben die eingehenden Beratungen des Bundesrates ergeben, daß der Gesetzentwurf in seinen zentralen Anliegen auf noch nicht ausreichend abgesicherten tatsächlichen Annahmen beruht und - wie die nachstehenden Änderungsvorschläge und Anregungen des Bundesrates zeigen - auch in vielen sonstigen Teilen noch korrekturbedürftig erscheint, so insbesondere bei der Neuregelung des Vergütungsanspruchs für Bild- und Tonaufzeichnungen und bei der Neuregelung der Vergütungspflicht für das Reprographieren.

Der Bundesrat betont die Dringlichkeit der Erfassung der Importe vergütungspflichtiger Produkte und der Einführung fester Vergütungssätze.

Artikel 1
Änderung des Urheberrechtsgesetzes

2. Zu Artikel 1 vor Nummer 1: Nummer 01 (§ 46 Abs. 2 UrhG)

In Artikel 1 ist vor Nummer 1 folgende Nummer 01 einzufügen:

"0l. § 48 Abs. 2 erhält folgende Fassung:

"(2) Absatz 1 gilt für Werke der Musik, die in eine für den Musikunterricht bestimmte Sammlung aufgenommen werden, nur, wenn es sich um eine Sammlung für den Musikunterricht in Schulen oder nichtgewerblichen Sing- und Musikschulen handeIt."

B e g r ü n d u n g

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 1971 (NJW 1971, S. 2163) ist es zulässig, ohne Zustimmung des Urhebers urheberrechtlich geschützte Werke in Sammlungen für den Kirchen-, Schul- und Unterrichtsgebrauch aufzunehmen, sofern dem Urheber hierfür eine Vergütung gezahlt wird.

Bei der Aufzählung der Sammlungen für den Schul- oder Unterrichtsgebrauch sind nach Absatz 2 lediglich diejenigen Sammlungen der Zustimmungsfreiheit des Urhebers unterstellt worden, die für den Gebrauch in Schulen vorgesehen sind. Zur Begründung ist darauf hingewiesen worden, daß im Bereich der allgemeinbildenden Schulen der pädagogische Gesichtspunkt das Verbotsrecht des Urhebers zurücktreten lassen müsse. Dies könne für den privaten und sonstigen Musikunterricht nicht gelten.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 7. Juli 1971 darauf hingewiesen, daß "die Allgemeinheit ein bedeutsames Interesse daran (hätte), daß die Jugend im Rahmen eines gegenwartsnahen Unterrichts mit dem Geistesschaffen vertraut gemacht wird" (S. 2164).

Das Bundesverfassungsgericht fährt fort: "Das gleiche gilt für Teilnehmer entsprechender Unterrichtsveranstaltungen." Gegenüber der Situation zur Zeit des Inkrafttretens des geltenden Urheberrechtsgesetzes hat sich der Bereich des Musikunterrichts dahin gehend verlagert, daß kommunale, nichtgewerbliche Sing- und Musikschulen in starkem Maße auf- und ausgebaut worden sind. Diese Einrichtungen ergänzen den Musikunterricht in der Schule und sind Teil des kommunalen Kulturangebots.

Diese Situation rechtfertigt es, den nichtgewerblichen, d. h. nicht auf Gewinnerwerb ausgerichteten, Sing- und Musikschulen die gleiche Privilegierung zukommen zu lassen wie dem Schulunterricht. Diese Privilegierung bezieht sich dabei (vgl. § 46 Abs. 4 des Urheberrechtsgesetzes) lediglich auf die Möglichkeit, daß in entsprechende Sammlungen geschützte Texte auch ohne eine Zustimmung des Berechtigten aufgenommen werden.

3. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 47 UrhG)

Artikel 1 Nr. 1 ist wie folgt zu fassen:

"l. § 47 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 Satz 2 erhält folgende Fassung:

"Das gleiche gilt für Heime der Jugendhilfe."

b) Absatz 2 Satz 2 erhält folgende Fassung:

- Text wie in Artikel 1 Nr. 1 des Gesetzentwurfs -

B e g r ü n d u n g

Die geltende Bezeichnung "Erziehungsheime der Jugendfürsorge" findet weder im Gesetz für Jugendwohlfahrt Verwendung, noch entspricht sie der aktuellen Jugendhilfepraxis. Es gibt heute fast keine Einrichtungen mehr, die die Bezeichnung "Erziehungsheim" tragen oder mit diesem Begriff zutreffend gekennzeichnet sind. Insbesondere gibt es nach der Art der Belegung keine Heime mehr, die ausschließlich der "Fürsorgeerziehung" i. S. der §§ 64 ff. JWG dienen. Üblich sind vielmehr Einrichtungen mit differenzierten erzieherischen Aufgaben und Möglichkeiten, in denen sowohl im Rahmen der Fürsorgeerziehung sowie der Freiwilligen Erziehungshilfe (§§ 62 ff. JWG) wie auch im Rahmen der §§ 5 und 6 JWG untergebrachte Kinder und Jugendliche betreut und erzogen werden. Um die beabsichtigte Gleichsetzung entsprechender Erziehungseinrichtungen mit schulischen Einrichtungen zu erreichen, ist § 47 Abs. 1 Satz 2 auf alle "Heime der Jugendhilfe" zu erstrecken.

4. Zu Artikel 1 Nr. 3 (§ 52 Abs. 1 Satz 2 UrhG)

Die Bundesregierung wird gebeten, im weiteren Gesetzgebungsverfahren klarzustellen, daß das Singen und Musizieren von Jugendgruppen, Wandergruppen oder auch von einzelnen Personen, soweit es nur dem eigenen Musikgenuß oder der Ausbildung dient, nicht vergütungspflichtig ist, weil es sich nicht um eine Aufführung im Sinne des § 15 UrhG handelt und weil diese Personen nicht als "Veranstalter" im Sinne von § 52 Abs. 1 tätig werden.

5. Zu Artikel 1 Nr. 3 (§ 52 Abs. 1 Satz 3 UrhG)

In Artikel 1 Nr. 3 ist § 52 Abs. 1 Satz 3 erster Halbsatz wie folgt zu fassen:

"Die Vergütungspflicht entfällt für Veranstaltungen der Jugendhilfe, der Sozialhilfe, der Alten- und Wohlfahrtspflege, der Gefangenenbetreuung sowie für Schul- und Hochschulveranstaltungen, es sei denn, die Veranstaltung dient dem Erwerbszweck eines Dritten;".

B e g r ü n d u n g

Veranstaltungen in Gemeinschaftsräumen von Justizvollzugsanstalten, insbesondere der Gemeinschaftsempfang von Rundfunk- und Fernsehsendungen sollten aus den gleichen Gründen, die eine Vergütungsfreiheit für Veranstaltungen der Jugend-, Alten- und Sozialpflege sowie im Schulbereich rechtfertigen (vgl. S. 14 der Entwurfsbegründung), von der Vergütungspflicht ausgenommen werden. Auch die genannten Veranstaltungen im Strafvollzug haben einen ausschließlichen und besonders ausgeprägten sozialen Bezug. Sie wenden sich an einen eng begrenzten Personenkreis, der in besonderem Maße bedürftig ist und zur Erreichung der Ziele des Strafvollzugs, insbesondere im Interesse der Resozialisierung, einer besonders umfassenden Betreuung bedarf. Die Belange der Urheber werden durch diese Wiedergaben nur unwesentlich berührt. Den dargelegten Gründen des Gemeinwohls kommt daher mindestens in gleichem Maße wie bei den bereits im Entwurf vorgesehenen Ausnahmen der Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen der Urheber zu.

Die Überlegungen, auf die die Vergütungsfreiheit von Schulveranstaltungen gestützt wird (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zu § 52, S. 15 f.), gelten auch für Hochschulveranstaltungen, etwa Konzerte im Rahmen von Diplomprüfungen in Musikhochschulen. Auch diese Veranstaltungen sollten daher vergütungsfrei bleiben.

Im übrigen empfiehlt es sich, die Begriffe "Jugend- und Sozialpflege" durch die Bezeichnungen "Jugendhilfe", "Sozialhilfe" und "Wohlfahrtspflege" zu ersetzen.

6. Zu Artikel 1 Nr. 3 (§ 52 Abs. 2 Satz 2 UrhG)

Der Bundesrat teilt die in der Entwurfsbegründung dargelegte Auffassung, daß der Gemeindegesang und seine Begleitung bei gottesdienstlichen Veranstaltungen keine Aufführung eines Werkes darstellen und deshalb nicht der Vergütungspflicht nach § 52 Abs. 2 Satz 2 des Entwurfs unterliegen. Gleiches gilt für Gebete und für den Gesang des Liturgen.

7. Zu ArtikeI 1 Nr. 4 (§ 53 Abs. 2 Nr.4 Buchstabe a UrhG)

In Artikel 1 Nr. 4 sind in § 53 Abs. 2 Nr. 4 Buchstabe a die Worte "oder Zeitschriften“ durch die Worte "Zeitschriften oder Sammelwerke“ zu ersetzen.

B e g r ü n d u n g

Aufsätze in Sammelwerken (z. B. Festschriften) sollten im Interesse eines leichten Informationsaustausches den Aufsätzen in Zeitungen und Zeitschriften gleichgestellt werden. Hierfür besteht ein Bedürfnis, weil derartige Aufsätze nicht stets nur einen kleinen Teil des Sammelwerks darstellen (vgl. die enge Auslegung dieses Begriffs bei Nordemann, 4. Aufl., § 54 UrhG, Rd.Nr. 8). Die Erweiterung der Vervielfältigungsbefugnis gegenüber dem geltenden Recht kann dem Urheber im Hinblick auf die neue Fotokopierabgabe zugemutet werden.

8. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§§ 53, 54 UrhG - Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch und Vergütungspflicht)

a) In Artikel 1 Nr. 4 ist § 53 Abs. 3 UrhG wie folgt zu fassen:

"(3) Zulässig ist, Vervielfältigungsstücke von kleinen Teilen eines Druckwerkes oder von einzelnen Beiträgen, die in Zeitungen, Zeitschriften oder Sammelwerken erschienen sind, zum Gebrauch in Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung (Bildungseinrichtungen) herzustellen oder herstellen zu lassen, wenn und soweit die Vervielfältigung für Unterrichts-, Vorlesungs- oder Prüfungszwecke geboten ist."

b) In Artikel 1 Nr. 4 ist in § 54 UrhG nach Absatz 1 folgender Absatz 1 a einzufügen:

"(1 a) Dient eine Vervielfältigung, die nach § 53 Abs. 2 zulässig ist, gewerblichen Zwecken des zur Vervielfältigung Befugten, so hat der Urheber gegen ihn einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung."

c) In Artikel 1 Nr. 4 ist § 54 Abs. 2 UrhG wie folgt zu fassen:

"(2) Ist nach der Art eines Werkes zu erwarten, daß es nach § 53 Abs. 3 durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung vervielfältigt wird, so hat der Urheber gegen den Träger der Bildungseinrichtung einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung. Die Höhe der von dem Träger insgesamt geschuldeten Vergütung bemißt sich nach der Zahl der nach § 53 Abs. 3 zulässigen Vervielfältigungen, die nach der Art und Größe der Bildungseinrichtung wahrscheinlich ist."

d) In Artikel 1 Nr. 4 ist in § 54 Abs. 3 Satz 1 UrhG das Wort "und" durch das Wort "bzw.“ zu ersetzen.

e) In Artikel 1 Nr. 4 ist § 54 Abs. 4 Satz 2 UrhG wie folgt zu fassen:

"Der Urheber kann von dem Träger einer Bildungseinrichtung, zu deren Gebrauch Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 3 zulässig sind, die für die Bemessung der Vergütung erforderliche Auskunft verlangen."

f) Abschnitt II der Anlage zu § 54 Abs. 3 UrhG ist wie folgt zu fassen:

"II. Vergütung nach § 54 Abs. 1 a und 2:

Die Vergütung aller Berechtigten beträgt für jede DIN-A 4-Seite der Ablichtung

1. gemäß § 54 Abs. 1 a 0,02 DM,

2. gemäß § 54 Abs. 2 0,01 DM

Bei Vervielfältigungsverfahren vergleichbarer Wirkung sind diese Vergütungssätze entsprechend anzuwenden."

B e g r ü n d u n g

Anders, als es der Regierungsentwurf tut, will der Vorschlag die bisherige Vergütungsfreiheit für auszugsweise Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch - mit Ausnahme der gewerblichen Zwecke - beibehalten.

Für die Herstellung einzelner Vervielfältigungen, die nach § 53 Abs. 1 und 2 UrhG zulässig sind, eine Vergütungspflicht einzuführen, ist verfassungsrechtlich nicht geboten.

Das Urheberrecht unterliegt zwar in der ihm vom Gesetzgeber verliehenen Gestaltung der Eigentumsgarantie des Artikels 14 GG, und der Gesetzgeber ist deshalb gehalten, dem Urheber das vermögenswerte Ergebnis der schöpferischen Leistung wirtschaftlich zuzuordnen (BVerfGE 31, 229, 238; 49, 382, 392). Die Eigentumsgarantie gebietet es jedoch nicht, dem Urheber jede nur denkbare wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit zuzuordnen (BVerfGE 31, 248, 252). Dies gilt insbesondere, wenn es sich bei der Vervielfältigung nicht um eine zusätzliche Verwertung handelt, sondern um eine Anhangserscheinung einer anderen Verwertung, für die der Urheber bereits einen Honoraranspruch erworben hat (BVerfGE 31, 270, 274).

Nach diesen vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen ist der Gesetzgeber nicht gezwungen, entgegen der bisherigen Rechtslage auch für Fotokopien, die in einzelnen Exemplaren zum eigenen Gebrauch hergestellt werden, eine Vergütungspflicht einzuführen. Zwar hat die Zahl solcher Vervielfältigungen seit Erlaß des Urheberrechtsgesetzes 1965 erheblich zugenommen. Dies ändert jedoch nichts daran, daß es sich hier nicht um eine besondere, dem Urheber zu Gebote stehende Verwertungsmöglichkeit handelt. Vielmehr stellt diese Art des Fotokopierens eine sekundäre Erscheinung dar, die erst dadurch ermöglicht wird, daß der Urheber sein Werk zuvor durch Buch- oder Zeitschriftenveröffentlichung verwertet und hierfür einen Honoraranspruch erlangt hat Diese Form der Vervielfältigung ist auch nicht an die Stelle einer anderen, vergütungspflichtigen Nutzungsform getreten. Das nach § 53 Abs. 1 und 2 UrhG zulässige Fotokopieren ersetzt vielmehr vor allem das frühere Exzerpieren, das von jeher vergütungsfrei zulässig war. Die technischen Möglichkeiten haben es zwar mit sich gebracht, daß heute mehr kopiert wird, als früher exzerpiert wurde. Das hat jedoch dieser Erscheinungsform keine grundsätzlich andere rechtliche Qualität gegeben.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß angesichts der einschränkenden Merkmale in § 53 Abs. 1, 2, 4 und 6 UrhG das dort begründete Vervielfältigungsrecht die Absatzchancen der Primärveröffentlichungen nicht mindern wird. Sie führt auch sonst nicht zu einer Beschneidung der Verwertungsmöglichkeiten des Urhebers.

Es darf weiter nicht außer Betracht bleiben, daß die Vervielfältigung zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch von erheblicher Bedeutung für die Wissenschaft ist. Ebenso wie der ungehinderte Zugang zu wissenschaftlichen Werken ist heute die Möglichkeit einzelne ausschnittsweise Kopien herzustellen, eine bedeutsame Voraussetzung für wissenschaftlichen Austausch und wissenschaftliche Entwicklung. Die Autoren, aus deren Werken kopiert wird, sind ihrerseits darauf angewiesen, aus Werken anderer Autoren ungehindert auszugsweise zu kopieren.

Schließlich sind auch die erheblichen Probleme zu berücksichtigen, die mit jeder denkbaren Form einer Vergütungspflicht für Fotokopien zum eigenen Gebrauch verbunden wären. Sowohl die im Regierungsentwurf vorgesehene Betreiberabgabe als auch die wiederholt diskutierte Geräteabgabe wären mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden und könnten außerdem materielle Gerechtigkeit für die Urheber und für die Benutzer nur mit großen Abstrichen gewährleisten.

Wenn danach für das Vervielfältigen in einzelnen Stücken zum eigenen Gebrauch keine Vergütungspflicht eingeführt wird, so ist das eine zulässige Schranke des als Eigentum garantierten Urheberrechts. Von dieser Möglichkeit sollte Gebrauch gemacht werden, um die durch das Gesetz verursachten finanziellen Belastungen für die Wirtschaft und die öffentlichen Haushalte so gering wie möglich zu halten.

Allerdings ist es geboten, auch die bisher in § 54 Abs. 2 UrhG enthaltene Ausnahme für Vervielfältigungen zu gewerblichen Zwecken beizubehalten. Mit dem vorgeschlagenen Absatz 1 a des § 54 UrhG soll diese Regelung bei unverändertem Inhalt der vorgesehenen anderen Regelungssystematik angepaßt werden.

Für Vervielfältigungen zu Unterrichtszwecken ist eine besondere Regelung notwendig. Sie sollen ohne Zustimmung des Urhebers zulässig, aber vergütungspflichtig sein.

Der Regierungsentwurf sieht in § 53 Abs. 3 zu Recht die Zulässigkeit von Vervielfältigungen für den Schulunterricht vor, geht dabei jedoch nicht weit genug. Die Begrenzung auf Schulen ist nicht sachgerecht, weil ein gleichartiges Bedürfnis auch für alle anderen Einrichtungen der Aus- und Fortbildung besteht, an denen Unterricht erteilt wird, wie Hochschulen, Volkshochschulen, Heimvolkshochschulen, überbetriebliche Ausbildungsstätten, Aus- und Fortbildungsstätten der Wirtschaft, der Verbände, der Gewerkschaften und der öffentlichen Hand. Bei all diesen Bildungseinrichtungen besteht angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten ein Bedürfnis, auszugsweise Vervielfältigungen aus geschützten Werken im Unterricht einzusetzen. Diese Möglichkeit, die zu einem wesentlichen Bestandteil der Methodik des Lehrens geworden ist zu untersagen, liefe dem öffentlichen Interesse an der Qualität der Aus- und Fortbildung zuwider. Zu erwarten, daß die Unterrichtsteilnehmer sich die notwendigen Vervielfältigungen selbst beschaffen, wie es die Begründung des Regierungsentwurfs tut, wäre auch in der Erwachsenenbildung unrealistisch.

Es sollen allerdings nicht alle Bereiche der beruflichen Bildung einbezogen werden, sondern nur die gesonderten Einrichtungen der beruflichen Bildung, an denen Unterricht erteilt wird, Auf diese Weise wird eine hinreichend klare Abgrenzung sichergestellt und eine uferlose Ausweitung vermieden.

Zu eng ist die Begrenzung im Regierungsentwurf auf die Klassenstärke und auf die Zwecke des Unterrichts. Ausdrücklich genannt werden müssen auch die Prüfungen. Ferner muß es zulässig sein, den Bedarf für mehrere Parallelklassen und für bezirks- und landeseinheitliche Prüfungen zu decken.

Nach dem Wortlaut des Regierungsentwurfs ist auch die Vervielfältigung sehr umfangreicher Teile geschützter Werke erlaubt (vgl. § 53 Abs. 6). Dies erscheint nicht erforderlich. Eine sachgerechte und angemessene Begrenzung des Vervielfältigungsrechts kann durch Anlehnung an § 53 Abs. 2 Nr. 4 Buchstabe a erreicht werden.

In diesem Umfang ist es den Urhebern zuzumuten, auf ein Verbietungsrecht zu verzichten. Ihre grundsätzliche Befugnis, über die Verwertung des Werkes zu bestimmen, wird nicht angetastet, weil derartige Vervielfältigungen nur in Betracht kommen, wenn bereits eine Veröffentlichung in Buch- oder Aufsatzform vorliegt. Da darüber hinaus dem wirtschaftlichen Interesse durch eine Vergütungspflicht Genüge getan werden soll, ist die allein verbleibende Beschränkung des Verbietungsrechts durch das öffentliche Interesse an der Aus- und Fortbildung gedeckt (vgl. BVerfGE 49, 382, 394). Die Frage der Vergütungspflicht ist hier anders zu beurteilen als bei Vervielfältigungen, die im Rahmen von § 53 Abs. 1 und 2 UrhG zulässig sind. Auch hier handelt es sich zwar um die sekundäre Nutzung eines veröffentlichten Werkes. Diese Nutzung ist jedoch im Hinblick auf die im Einzelfall wesentlich größere Zahl von Vervielfältigungen merklich intensiver. Nach der Art des Verwendungszweckes muß auch damit gerechnet werden, daß sich durch solche Art der Nutzung teilweise der Absatz der veröffentlichten Werke vermindert. Das öffentliche Interesse an der Aus- und Fortbildung allein kann unter solchen Umständen eine Vergütungsfreiheit nicht rechtfertigen (BVerfGE 31, 229, 243; 49, 382, 400).

Die Vergütungspflicht für Fotokopien zu Unterrichtszwecken kann, wie es auch der Regierungsentwurf tut, nur ab Pauschalvergütung gestaltet werden, die ausschließlich von Verwertungsgesellschaften geltend zu machen ist. Die Beschränkung der Vergütungspflicht ermöglicht jedoch eine wesentlich einfachere Konstruktion, als es die Betreiberabgabe wäre. Es können vielmehr die Stellen zur Zahlung verpflichtet werden, für deren Zwecke die Vervielfältigungen hergestellt werden, nämlich die Träger der Bildungseinrichtungen.

Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ist es geboten, den Vergütungsanspruch so zu pauschalieren, daß nicht bei jeder Bildungseinrichtung die vergütungspflichtigen Kopien zahlenmäßig erfaßt werden müssen und von den Verwertungsgesellschaften abgefragt werden können. Die Art und die Größe der Bildungseinrichtung dürfte eine genügende Differenzierung zulassen.

Der Auskunftsanspruch nach § 54 Abs. 4 Satz 2 muß sich auf die Merkmale beziehen, die nach dem vorgeschlagenen Absatz 2 für die Bemessung der Vergütung maßgeblich sind. Für den Anspruch nach Absatz 1 a erscheint eine Regelung über den Auskunftsanspruch hingegen nicht erforderlich. Da hier - entsprechend der derzeitigen Rechtslage - eine Pauschalierung nicht erforderlich ist, kann es bei dem Inhalt des allgemeinen Auskunftsanspruchs sein Bewenden haben, der von Rechtsprechung und Lehre aus den Grundsätzen von Treu und Glauben hergeleitet wird.

Im Sinne eines Ausgleichs zwischen den Belangen der Urheber und der Nutzer ist es schließlich geboten, die Vergütungssätze je DIN-A 4-Seite deutlich zu senken.

9. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 53 Abs. 4 UrhG)

Die Bundesregierung wird gebeten, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens klarzustellen, daß die Herstellung einer Ersatzkopie für entfernte einzelne Seiten in Büchern durch Bibliotheken ebenso zulässig ist wie die nach Einfügung dieser Ersatzkopie erfolgende Ausleihe dieses Buches.

10. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 53 Abs. 6 UrhG)

In Artikel 1 Nr. 4 sind in § 53 Abs. 6 vor den Worten ... stets nur mit Einwilligung" die Worte "oder bei Werken der Musik nur kleine Teile des Werkes vervielfältigt werden" einzufügen.

B e g r ü n d u n g

In Musikhochschulen ist es insbesondere bei den theoretisch-wissenschaftlichen Fächern üblich, mit Notenauszügen zu arbeiten. Es ist unzumutbar, wenn hier jeweils der Berechtigte um seine Einwilligung gebeten werden müßte. Dem Urheber ist die vorgeschlagene Regelung zumutbar, da die Vervielfältigungen nach dem Gesetzentwurf vergütungspflichtig sein sollen.

11. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 53 Abs. 6 UrhG)

Die Bundesregierung wird gebeten, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob in § 53 Abs. 6 nicht die Worte "4 Buchstabe b" durch die Worte "bei Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke eines seit mindestens zwei Jahren vergriffenen Werkes zum eigenen Gebrauch" zu ersetzen sind.

Nach dem Gesetzentwurf ist die Vervielfältigung eines ganzen Buches bei vergriffenen Werken nur zum sonstigen eigenen Gebrauch (§ 53 Abs. 2 Nr.4 Buchstabe b), nicht jedoch zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch (§ 53 Abs. 2 Nr. 1) zulässig. Diese Unterscheidung ist nicht einsichtig. Die Regelung sollte deshalb in der vorgeschlagenen Weise erweitert oder klargestellt werden.

12. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 53 Abs. 6 UrhG)

In Artikel 1 Nr. 4 wird in § 53 der Absatz 6 Absatz 4; dieser ist wie folgt zu ändern:

Vor den Worten "vollständige Vervielfältigung" sind die Worte "im wesentlichen" zu streichen.

Die Worte "ist, soweit sie nicht handschriftlich vorgenommen wird" sind durch die Worte "sind, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen werden" zu ersetzen.

Als Folge werden die Absätze 4 und 5 Absätze 5 und 6.

B e g r ü n d u n g

§ 53 Abs. 6 sollte aus systematischen Gründen nach Absatz 3 eingeordnet werden. Dadurch wird klargestellt, daß das Verbreitungsverbot (im Entwurf Absatz 4) auch in den Fällen des bisherigen Absatzes 6 gilt.

Auf die Worte "im wesentlichen" sollte verzichtet werden, weil sie einerseits selbstverständlich sind, andererseits zu einer nicht gewollten Einschränkung des Vervielfältigungsrechts führen können (z. B. hinsichtlich eines Aufsatzes, der den wesentlichen Inhalt einer Zeitschrift ausmacht).

Die Gründe, die es rechtfertigen, handschriftliche Vervielfältigungen zuzulassen, treffen in gleicher Weise auf maschinenschriftliche Vervielfältigungen zu. Mit dem Begriff "Abschreiben" kann sichergestellt werden, daß rein maschinelle Übertragungen nicht erfaßt werden, sondern nur solche, bei denen der Text von einer Person gelesen und erneut niedergeschrieben wird. Im übrigen sprachliche Verbesserung.

13. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 54 Abs. 1 Satz 3 UrhG)

In Artikel 1 Nr. 4 ist in § 54 Abs. 1 Satz 3 nach dem Wort "Vervielfältigungen" das Wort "nicht" zu streichen und vor dem Wort "benutzt" das Wort "nicht" einzufügen.

B e g r ü n d u n g

Klarstellung des Gewollten.

14. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 54 Abs. 1 Satz 3 UrhG)

Die Bundesregierung wird gebeten, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auch das Verfahren beim Entfallen des Anspruches nach § 54 Abs. 1 UrhG näher zu konkretisieren.

15. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 54 Abs. 1 UrhG)

Bei der Festlegung der kombinierten Geräte- und Leerkassettenvergütung muß sich die Belastung der Wirtschaft insgesamt in vertretbaren Grenzen halten; jede vermeidbare zusätzliche Belastung soll unterbleiben. In Anbetracht der in der Entwurfsbegründung (Seite 17) zum Ausdruck kommenden Einschätzung, daß das Gesamtaufkommen angemessen ist, muß es als das vordringlichere Ziel des Gesetzes angesehen werden, die zu Lasten der deutschen Wirtschaft bestehenden Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen. Der Bundesrat hält es bei einer Neuregelung im Bereich Geräte- und Leerkassettenabgabe im Interesse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft für erforderlich, daß das rechtliche und praktische Instrumentarium zur Erfassung der Importe von vergütungspflichtigen Produkten verbessert wird. Die Bundesregierung wird gebeten - unbeschadet der Stellungnahme in Abschnitt 1 -, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die hierfür beabsichtigten Maßnahmen darzulegen. Es wird des weiteren darauf ankommen, daß bei der praktischen Erhebung der Vergütungen durch die Verwertungsgesellschaften die gebotene Gleichstellung der deutschen Hersteller mit den Importeuren gewährleistet ist.

16. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 54 Abs. 2 UrhG)

Eine Betreiberabgabe erfordert einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand bei den Verwertungsgesellschaften und bei den Betreibern. Auf der einen Seite entsteht ein großer Aufwand dadurch, daß eine unabsehbar große Zahl von Betreibern festgestellt werden muß und daß mit ihnen Verhandlungen hinsichtlich der Zahl der Geräte und der gefertigten Kopien sowie hinsichtlich der Art und des Umfanges der Nutzung, des Standortes und der üblichen Verwendung jedes einzelnen Gerätes geführt werden müssen. Auf der anderen Seite werden auch die Betreiber durch laufende Ermittlungen zur Zahl der gefertigten Kopien und zur Art der Nutzung im Hinblick auf urheberrechtlich geschützte Vorlagen ständig erheblich belastet. Die so entstehenden unproduktiven Kosten müssen im gesamtwirtschaftlichen Interesse vermieden werden.

Die Regelung des Entwurfs hätte auch zur Folge, daß der Erwerber eines Kopiergerätes die damit verbundenen Kosten nicht hinreichend kalkulieren könnte, weil er angesichts der unbestimmten Rechtsbegriffe in § 54 Abs. 2 Satz 2 nicht vorhersehen könnte, in welchem Maße die Verwertungsgesellschaften Ansprüche an ihn stellen. Eine solche Unsicherheit bei der Kalkulation müßte sich besonders für die Unternehmen der Wirtschaft nachteilig auswirken.

Für den Fall der Einführung einer Geräteabgabe wären die Verwertungsgesellschaften nur bei einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Herstellern und Importeuren gehalten, Verhandlungen zu führen, Auskünfte zu verlangen, Verträge zu schließen und Abrechnungen vorzunehmen. Der Gesamtaufwand für die Verwirklichung der betroffenen urheberrechtlichen Ansprüche wäre dadurch wesentlich geringer.

Einzelfallgerechtigkeit kann mit der Betreiberabgabe nicht geschaffen werden, weil auch sie auf dem Prinzip der Pauschalierung beruht und deshalb häufig zu einem für den einzelnen Kopiervorgang nicht angemessenen Ergebnis führt.

Die Betreiberabgabe wäre mit zahlreichen, nicht zu beseitigenden Fehlerquellen, verbunden. So gibt es kein Verfahren, mit dem für ein einzelnes Kopiergerät der Anteil der geschützten Vorlagen an der Gesamtzahl der Kopien festgestellt werden könnte; schon die Tatsache einer Kontrolle würde das Ergebnis verfälschen. Um so weniger ist der typische Anteil geschützter Vorlagen für Geräte bestimmter Standorte und Nutzungsarten ohne willkürliche Festlegung zu ermitteln. Da die Verwertungsgesellschaften wegen der unüberschaubaren Anzahl der Betreiber keineswegs alle, sondern wohl nur die großen Betreiber in Anspruch nehmen könnten, wäre ein beträchtlicher Teil der Geräte und damit die mit ihrer Hilfe hergestellten Vervielfältigungen von der Abgabe frei. Darin läge für die betroffenen Betreiber ein erhebliches Maß an Ungerechtigkeit.

Hinzu kommt, daß die Betreiberabgabe ein gewisses Maß an Gerechtigkeit allenfalls für die Betreiber herstellen kann, keineswegs jedoch für die Benutzer, die nicht selbst ein Gerät betreiben. Für diese Benutzer sind der Standort und die übliche Nutzung kein sachgerechtes Unterscheidungskriterium, weil die von ihnen persönlich beabsichtigte Nutzung unberücksichtigt bleibt. Dies muß den Benutzer veranlassen, benötigte Kopien mit einem solchen Gerät zu fertigen, das nicht mit der Abgabe belastet ist. Auf diese Weise führt die Betreiberabgabe zu einer unerwünschten Wettbewerbsverzerrung.

Wenn es um das Maß an Gerechtigkeit geht, das mit dem einen oder anderen System zu erreichen ist, darf schließlich nicht unberücksichtigt bleiben, daß auch bei der Verteilung des Aufkommens durch die Verwertungsgesellschalten hinreichende Einzelfallgerechtigkeit nicht hergestellt werden kann.

Für den Fall, daß die Bundesregierung an der Fotokopierabgabe in Form einer Betreiberabgabe festhält, wird gebeten zu prüfen, welche Kriterien einen gesicherten Schluß auf Art und Umfang der urheberrechtlich relevanten Nutzung von Vervielfältigungsgeräten zulassen, und darzulegen, nach welchen konkreten Kriterien und in welchem Verfahren Art und Umfang der Nutzung ermittelt werden sollen.

Der Gesetzentwurf vermag bisher keine gesicherten Grundlagen für die Ermittlung der Anzahl von Vervielfältigungen anzugeben. So ist z. B. nicht ersichtlich, inwiefern die im Entwurf genannten Kriterien "Standort" bzw. "übliche Verwendung" ausreichend sichere Aufschlüsse vermitteln. Der Gesetzentwurf erwähnt vielmehr die bestehende Notwendigkeit, eine Grundlage für die Tarifgestaltung durch empirische Erhebungen zu gewinnen; diesen Erbebungen sollte durch die beispielhafte Heraushebung bestimmter Kriterien nicht vorgegriffen werden. Die eingehende Darlegung der Kriterien und des Verfahrens ist erforderlich, um die daraus für die Gerätebetreiber resultierenden verfahrensmäßigen Belastungen beurteilen zu können.

Des weiteren wird gebeten, im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens darzulegen, wie hoch aufgrund der Anzahl der gefertigten Vervielfältigungen sowie des Anteils urheberrechtlich geschützter Vorlagen das Aufkommen bei den verschiedenen Gruppen von Betreibern sowie das Gesamtaufkommen der Vergütung zu veranschlagen wären. Dies soll eine Beurteilung der für die Wirtschaft und die Verwaltung zusätzlich entstehenden Belastung ermöglichen. Die vorgesehenen Vergütungssätze würden auch unter Würdigung des grundrechtlich geschützten Urheberrechts ein Ausmaß annehmen, das zu einer beträchtlichen finanziellen Belastung der Wirtschaft wie auch der öffentlichen Haushalte führt. Im Interesse eines vernünftigen Ausgleichs zwischen den Belangen der Urheber und der Nutzer erscheint es geboten, die vorgesehenen Vergütungssätze zu senken, mindestens aber zu halbieren, zumal die Urheber ohnehin von der anhaltenden Zunahme der Zahl der reprographischen Vervielfältigungen profitieren.

Schließlich erscheint es erforderlich, entsprechend den Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfs (S. 22) auch im Gesetzestext ausdrücklich die Möglichkeit zu verankern, daß der Gerätebetreiber gegenüber dem vorgesehenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab den Gegenbeweis führt, daß er urheberrechtlich geschützte Werke nicht vervielfältigt. Dies entspräche § 54 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzentwurfs.

17. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 54 Abs. 2 UrhG)

Die Bundesregierung wird gebeten, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Schätzungen über die in Hochschulen und Bibliotheken hergestellten Reprographien zu überprüfen.

B e g r ü n d u n g

In der Begründung des Gesetzentwurfs werden als Schätzzahlen für in Hochschulen und wissenschaftlichen Bibliotheken hergestellte Reprographien 2,4 Mrd. und in sonstigen von der öffentlichen Hand betriebenen Bibliotheken 0,3 Mrd. genannt. Die Schätzung geht weiter von einem Anteil urheberrechtlich geschützter Vorlagen von 65 v. H. im Bereich der Hochschulen und Bibliotheken aus (Teil A Abschnitt V Nr. 1 Buchstabe b).

Da sich die Höhe der geschuldeten Vergütung nach der Art und dem Umfang der Nutzung des Gerätes bemißt, die nach den Umständen, insbesondere nach dem Standort und der üblichen Verwendung wahrscheinlich ist, mithin der Anteil der urheberrechtlich geschützten Vorlagen geschätzt werden muß, sollte eine Art von Präjudizierung aufgrund von möglicherweise überhöhten Schätzzahlen in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs vermieden werden. So wird aufgrund einer Erhebung an den bayerischen Hochschulen und einer Hochrechnung auf das Bundesgebiet tatsächlich mit etwa 90 Mio. vergütungspflichtiger Kopien an Hochschulen gerechnet.

18. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 54 Abs. 2 UrhG)

Der Bundesrat teilt die in der Begründung des Gesetzentwurfs dargelegte Auffassung, daß die Herausgabe - ohne Rückgabepflicht - einer Fotokopie anstelle des Originals künftig nicht mehr als Ausleihvorgang gewertet und urheberrechtlich vergütet werden kann (Bibliothekstantieme), sondern als vergütungspflichtig im Rahmen der §§ 53, 54 zu behandeln ist.

19. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 54 Abs. 3 Satz 2 UrhG)

In Artikel 1 Nr. 4 sind in § 54 Abs. 3 Satz 2 nach dem Wort Rechtsverordnung die Worte "mit Zustimmung des Bundesrates" einzufügen.

B e g r ü n d u n g

Die Festlegung von Vergütungssätzen stellt einen zentralen Gegenstand des urheberrechtlichen Vervielfältigungsrechts dar, der weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft und auf die Verwaltung im Länderbereich hat. Änderungen der Vergütungssätze erfordern einen weitgespannten Interessenausgleich. Daher erscheint es zweckmäßig, den Bundesrat auch künftig an den Änderungen der Vergütungssätze zu beteiligen.

20. Zu Artikel 1 - Abschnitt I der Anlage zu § 54 Abs. 3 UrhG

Der Bundesrat hält feste Vergütungssätze für geeignet, eine sichere Kalkulationsgrundlage zu bieten und die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke gleichmäßig bei allen auf den Markt kommenden Produkten abzugelten.

Der Gesetzentwurf ist bei der Regelung des Problemkreises Geräte- und Leerkassettenvergütung nicht ausgewogen und noch nicht ausgereift. Insbesondere erscheint es zweifelhaft, ob es genügt, bei der Bestimmung des urheberrechtlich relevant genutzten Anteils an Trägermaterial von bloßen Schätzungen auszugehen. Die Annahme, 95 v. H. der verkauften Leerkassetten würden zur Aufnahme urheberrechtlich geschützter Werke verwendet (Seite 10 der Gesetzesbegründung), erscheint nicht hinreichend gesichert. Ein wesentlicher Teil der verkauften Kompaktkassetten wird von vornherein für urheberrechtsneutrale Zwecke erworben (z. B. Diktiergeräte, Telefonanrufbeantworter, Sprachlabors, Schreibautomaten, Textverarbeitungsgeräte, Kleincomputer u. a.). Wesentlich höher ist der entsprechende urheberrechtsneutrale Anteil des Einsatzes von Mikrokassetten, die überwiegend in Diktiergeräten verwendet werden. Es bedarf daher der Aufklärung, in welchem Ausmaß die allseitig verwendbaren Leerkassetten für Vorgänge eingesetzt werden, die von vornherein urheberrechtsfrei sind. Die Bundesregierung wird daher gebeten, die Vergütungssätze unter Abschnitt 1 der Anlage zu § 54 Abs. 3 auf ihre Angemessenheit zu überprüfen und auch dazu eine gutachtliche Stellungnahme hinsichtlich des Anteils der urheberrechtsfreien Nutzung von Leerkassetten einzuholen.

Der Bundesrat geht davon aus, daß der Gesetzentwurf darauf abzielt, ungeachtet der neu zu regelnden Vergütungen das als angemessen anzusehende Gesamtaufkommen nicht zu erhöhen. Dieser Absicht ist zuzustimmen. Doch wird sie mit den bisher vorgesehenen Vergütungssätzen nicht erreicht. Die vorgesehene kombinierte Abgabe weist darüber hinaus Disparitäten auf, ohne daß hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist. Jedenfalls erscheinen die Vergütungssätze u. a. für unbespielte Ton- und Bildträger eindeutig als zu hoch.

21. Zu Artikel 1 - Abschnitt I der Anlage zu § 54 Abs. 3 UrhG

Die Bundesregierung wird gebeten, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Vergütung für Bildträger herabgesetzt werden kann.

B e g r ü n d u n g

Der Entwurf geht bei der Bemessung der Vergütung für Leerkassetten von der Lizenzgebühr für bespielte Bild- und Tonträger aus (Begründung S. 19). Das Verhältnis der Lizenzgebühr für bespielte Tonträger (durchschnittlich 9 bis 10 Pfennig pro Minute) zur Lizenzgebühr für bespielte Bildträger (durchschnittlich 25 bis 30 Pfennig pro Minute) beträgt 1: 3. Überträgt man dieses Verhältnis auf die Leerkassettenvergütung, so ergibt sich bei einer Tonträgervergütung von 0,10 DM pro Spielstunde eine Bildträgervergütung von 0,30 DM pro Spielstunde. Gründe, die es rechtfertigen könnten, die Bildträgervergütung um ein Drittel höher auf 0,40 DM pro Spielstunde festzusetzen, sind nicht ersichtlich. Im übrigen erscheint eine Überprüfung der Vergütungshöhe bei Bildträgern auch zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen geboten. Laut Mitteilung der Tagespresse ("Handelsblatt" vom 22. September 1982) würden 0,40 DM pro Spielstunde je nach Kassettentyp bis zu. 7,1 v. H. des Herstellerabgabepreises ausmachen. Bei einer derart hohen Zusatzbelastung könnten Verbraucher versucht sein, vergütungsfreie Leerkassetten aus dem Ausland zu beziehen. Gleiches gilt für den Händler, der bei einem Warenwert bis 500 DM von der Pflicht zur Einfuhrkontrollmeldung befreit ist (§27 a Abs. 2 Außenwirtschaftsverordnung). Eine solche Entwicklung wäre mit den schutzwürdigen Belangen inländischer Hersteller unvereinbar.

22. Zu Artikel 1 - Abschnitt II der Anlage zu § 54 Abs. 3 UrhG

Die Bundesregierung wird gebeten, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens darzulegen, wie hoch aufgrund der geschätzten Anzahl der Reprographien sowie des geschätzten Anteils urheberrechtlich geschützter Vorlagen bei den verschiedenen Gruppen von Betreibern das Gesamtaufkommen der Reprographieabgabe zu veranschlagen wäre.

B e g r ü n d u n g

In der Entwurfsbegründung fehlen Angaben über die geschätzte Verteilung der Vervielfältigungen auf den Bildungs- und Forschungsbereich (Abschnitt 11 Nr. 1) einerseits und den nicht privilegierten Bereich (Abschnitt II Nr. 2) andererseits. Auch ist nicht ersichtlich, wie hoch der Anteil der geschützten Vorlagen im gewerblichen Bereich veranschlagt wird. Eine nachvollziehbare - wenn auch auf geschätzten Zahlen beruhende - Berechnung des Gesamtaufkommens soll u. a. einen Vergleich mit dem Gesamtaufkommen aus der Bibliothekstantieme ermöglichen. Sie ist außerdem für die abschließende Beurteilung der Angemessenheit der Vergütungssätze erforderlich.

(Artikel 2
Änderung des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten)

s. Anlage 3
Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates

 

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