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ZWEITER TEIL
Verwandte Schutzrechte

ERSTER ABSCHNITT
Schutz bestimmter Ausgaben

(Anm. d. Red.: Dieser Abschnitt entspricht dem 2. Teil, 1. Abschnitt (§§ 70, 71) des endgültigen Gesetzes.)

Zu § 80 - Wissenschaftliche Ausgaben

Nach geltendem Recht genießen wissenschaftliche Ausgaben urheberrechtlich nicht geschützter Werke und Texte, z. B. alter noch nicht gedruckter Handschriften, Inschriften und dergl., nur Schutz, soweit sie persönliche geistige Schöpfungen sind, der Verfasser also Lücken des Textes durch eigene Schöpfungen ausfüllt oder den Text durch Anmerkungen erläutert. Es besteht jedoch ein anzuerkennendes Bedürfnis, auch die Herausgabe des Textes als solche zu schützen, die zwar keine schöpferische Leistung darstellt, aber häufig bedeutende wissenschaftliche Arbeit und die Aufwendung hoher Kosten erfordert. In Erfüllung einer bereits seit den Beratungen zum LUG erhobenen Forderung schlägt der Entwurf daher vor, den Verfassern solcher Ausgaben unabhängig von einem etwa bestehenden Urheberrechtsschutz ein besonderes Leistungsschutzrecht zu gewähren, das in seinem Umfang, abgesehen von der Schutzdauer, dem Urheberrecht voll entsprechen soll.

Absatz 1 bestimmt als Voraussetzung für dieses Leistungsschutzrecht, daß die Ausgabe das Ergebnis wissenschaftlich sichtender Tätigkeit darstellt und sich wesentlich von den bisher bekannten Ausgaben der Werke oder Texte unterscheidet. Durch das erste Erfordernis soll hervorgehoben werden, daß das bloße Auffinden eines alten Schriftstückes das Schutzrecht nicht begründet, vielmehr nur die wissenschaftlich fundierte Herstellung eines bisher unbekannten Originaltextes. Das zweite Erfordernis dient der Rechtssicherheit: Stellt beispielsweise ein Musikwissenschaftler durch textkritische Untersuchung fest, daß die bisher unbekannte Originalfassung eines alten Musikstückes mit einer bekannten Ausgabe dieses Werkes vollständig oder doch im wesentlichen übereinstimmt, so würde ein dem Musikwissenschaftler für seine Entdeckung gewährtes Schutzrecht an der Originalfassung in der Praxis nicht durchsetzbar sein, da bei öffentlichen Wiedergaben des Werkes kaum jemals mit Sicherheit festgestellt werden könnte, ob die Originalfassung oder die freie Ausgabe des Werkes benutzt worden ist. Es ist vorgeschlagen worden, im Hinblick auf diese vorwiegend bei öffentlichen Wiedergaben auftretenden Schwierigkeiten der praktischen Durchsetzung das Schutzrecht des § 80 auf das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht zu beschränken. Dadurch würde es jedoch für wissenschaftliche Ausgaben von Werken der Musik wertlos, weil bei diesen Werken, anders als bei Werken der Literatur, dem Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht neben dem Recht der öffentlichen Wiedergabe nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt.

Absatz 2 stellt klar, daß das Schutzrecht dem Verfasser der Ausgabe zusteht, also dem Musik- oder Literaturwissenschaftler selbst, nicht dem Verlag oder Institut, für das er tätig wird.

Absatz 3 sieht eine Schutzdauer von zehn Jahren vor. Es erscheint geboten, die Frist kürzer als die sonst für Leistungsschutzrechte in der Regel geltende Schutzfrist (25 Jahre) zu bemessen, da anderenfalls die wissenschaftliche Arbeit durch das neue Recht zu stark behindert werden könnte. Nach zehn Jahren muß die geschützte Ausgabe als Grundlage für neue wissenschaftliche Ausgaben ohne Einschränkung benutzt werden können. Die Anknüpfung der Schutzfrist an das Erscheinen, hilfsweise die Herstellung der Ausgabe, entspricht der in § 71 für Lichtbildwerke vorgesehenen Regelung.

Zu § 81 - Ausgaben nachgelassener Werke

Die Bestimmung sieht eine Schutzfrist für die Erstausgabe nachgelassener Werke (editio princeps) vor. Das Recht unterscheidet sich von dem Recht an wissenschaftlichen Ausgaben nach § 80 dadurch, daß es keine wissenschaftliche Leistung voraussetzt, sondern allein an die Tatsache geknüpft wird, daß jemand ein bisher unbekanntes oder nur durch mündliche Überlieferung bekanntes Werk nach Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist der Öffentlichkeit durch Vervielfältigung und Verbreitung zugänglich macht. Das Sammeln alter Märchen, Volkslieder oder Volkstänze, das Auffinden alter Schriften oder Kompositionen und die Herausgabe solcher Werke erfordern, auch wenn eine wissenschaftlich textkritische Bearbeitung entbehrlich ist, oft einen erheblichen Arbeits- und Kostenaufwand, der es gerechtfertigt erscheinen läßt, dem Herausgeber für eine gewisse Zeit das ausschließliche Recht zur Verwertung der Ausgabe zu gewähren.

Das geltende Recht trägt dem Schutzbedürfnis für Ausgaben nachgelassener Werke durch eine besondere Verlängerung der Schutzfrist Rechnung. Wird ein Werk nicht innerhalb der normalen Schutzfrist von 50 Jahren nach dem Tode des Urhebers veröffentlicht, so erlischt der Urheberrechtsschutz nach § 29 Satz 1 LUG nicht, sondern dauert fort bis 10 Jahre nach der späteren Veröffentlichung des Werkes. Wie schon zu § 67 erwähnt, erscheint diese Regelung unzweckmäßig, weil sie zu einer Verewigung des Urheberrechts an unveröffentlichten Werken führt und nicht dem Herausgeber des Werkes, der die schutzwürdige Leistung erbringt, Schutz gewährt, sondern dem Erben des Urhebers, der möglicherweise nichts zu dem Auffinden des alten Werkes beigetragen hat und sich zudem meist schwer ermitteln läßt. Nach dem Entwurf (Absatz 1 Satz 1) soll daher nicht der Rechtsnachfolger des Urhebers, sondern der Herausgeber des Werkes das Schutzrecht erhalten. Zugleich ist vorgesehen, das Schutzrecht nicht für die Veröffentlichung des nachgelassenen Werkes, sondern für die Herausgabe, d. h. das "Erscheinenlassen" des Werkes zu gewähren, denn erst dadurch, daß Vervielfältigungsstücke des Werkes hergestellt und der Öffentlichkeit angeboten werden, wird der Allgemeinheit der bleibende Besitz des Werkes vermittelt.

Entsprechend der neuen Ausgestaltung des Rechts fordert der Entwurf abweichend vom geltenden Recht als Schutzvoraussetzung lediglich, daß das Werk bisher nicht erschienen ist; eine vorherige Veröffentlichung des Werkes auf andere Weise als durch Vervielfältigung und Verbreitung, also insbesondere durch öffentliche Wiedergaben wie öffentlichen Vortrag oder öffentliche Aufführung, soll unschädlich sein. Diese Änderung dient in erster Linie der Rechtssicherheit. Da die öffentliche Wiedergabe eines Werkes keine Spuren hinterläßt, kann bei alten Werken kaum jemals mit Sicherheit festgestellt werden, ob sie bereits früher einmal öffentlich wiedergegeben und damit veröffentlicht worden sind; das Erscheinen eines Werkes ist dagegen in der Regel leicht nachweisbar. Darüber hinaus hat die neue Regelung aber auch die erwünschte Folge, daß künftig auch die Aufzeichnung und Erstausgabe volkstümlicher Werke, wie Märchen, Volkslieder oder Volkstänze, die sich im Volk durch öffentliche Wiedergaben erhalten haben, Schutz genießt.

Da das Schutzrecht des § 81 nicht für eine der schöpferischen Leistung des Urhebers verwandte wissenschaftliche Tätigkeit gewährt wird, sondern lediglich die faktische Herausgabe des Werkes belohnen soll, erscheint es im Gegensatz zu § 80 nicht angemessen, es in seinem Umfang dem Urheberrecht völlig anzugleichen. Der Entwurf beschränkt das Schutzrecht daher auf die ausschließliche Befugnis, das Werk zu vervielfältigen und zu verbreiten und die Vervielfältigungsstücke zur öffentlichen Wiedergabe des Werkes zu benutzen. Dem Herausgeber stehen danach keine persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse am Werk zu und auch das Verwertungsrecht nur mit einer Einschränkung: Öffentliche Wiedergaben, zu denen keine Vervielfältigungsstücke benutzt werden, sollen nicht der Zustimmung des Herausgebers bedürfen. Volkslieder oder Volkstänze dürfen also z. B. dort, wo sie sich durch Überlieferung ohne schriftliche Fixierung erhalten haben, auch nach ihrer Aufzeichnung und Herausgabe ohne Rücksicht auf das Recht aus § 81 weiter frei aufgeführt werden. Absatz 1 Satz 3 verweist für den Umfang des Schutzrechts im übrigen auf die betreffenden Bestimmungen des Ersten Teils des Entwurfs und erklärt insbesondere die dort vorgesehenen Schranken des Urheberrechts für sinngemäß anwendbar.

Wie bereits erwähnt, sollen nur Ausgaben solcher Werke geschützt sein für die kein Urheberrechtsschutz besteht, gleichgültig, ob der Schutz abgelaufen ist oder im Geltungsbereich dieses Gesetzes niemals bestanden hat. Dabei soll jedoch, wie Absatz 1 Satz 2 ausdrücklich klarstellt, stets Voraussetzung sein, daß der Urheber des herausgegebenen Werkes länger als 50 Jahre tot ist. Für die Herausgabe des Werkes eines zeitgenössischen ausländischen Urhebers, das mangels gegenseitiger internationaler Abkommen in Deutschland nicht geschützt ist, ist der Schutz aus § 81 nicht gerechtfertigt.

Absatz 2 sieht für das Schutzrecht uneingeschränkte Übertragbarkeit vor, da es ein reines Verwertungsrecht ohne persönlichkeitsrechtlichen Einschlag ist.

Nach Absatz 3 soll das Schutzrecht in Übereinstimmung mit der entsprechenden Regelung des geltenden Rechts und der für das Recht an wissenschaftlichen Ausgaben (§ 80) vorgesehenen Frist nach 10 Jahren erlöschen.

S. Gesetzeswortlaut des 2. Teils, 1. Abschnitts.